· 

THE STROKES ARE BACK

Not a bad decision- geiles Comeback Album dieser besonderen Band

 

Schwere Zeiten zuletzt, die die halbe Welt auf den Kopf stellen. Aber egal was passiert, gute Musik kann uns niemand nehmen. Obwohl es ja mittlerweile nicht mehr ganz so ist, dass wir treuen Indie-Kids noch all zu viel zu lachen hätten oder besser ausgedrückt einen zu großen Stress mit vielen umwerfenden Neu-Erscheinungen bekommen. Natürlich tauchen da immer wieder partielle Highlights auf, die uns sofort im Inneren treffen und begeistern. Wie das neue Lied von den Gorillaz „Aries“, für das sich Tausendsassa und Ex-Blur Sänger Damon Albarn keinen Geringeren als den ehemaligen Joy Division und New Order Bassisten Peter Hook kurzerhand ins Studio geholt hat. Eine Tatsache, die man sofort heraushört, diesem Song eine ganz besondere Note verleiht und es einem ob der berührenden New Order Nostalgie die Gänsehaut aufzieht. Ein schöneres Gefühl kann einem eine Bass-line wohl kaum vermitteln. Einfach herrlich.

 

Oder das großartige Album von Thees Uhlmann „Von Junkies und Scientologen“, dass sich schon lange und einfach nicht aus den Musikplayern und meinem Kopf und Herz verbannen lässt. Schöne Gitarrenmusik mit umfassenden herrlichen Textzeilen („…würde es dich nicht geben, ich hätte dich vermisst“…genau so ist es, Thees!), die sich ins Gehirn einbrennen, wie ein heißes Eisen am Pferdeschenkel. Eine der besten Platten der letzten Monate. Oder dazu passend das neue Morrissey Werk, das die leider mittlerweile niedrigen Erwartungen, die ohnehin nur mehr von der leidenschaftlichen Verehrung aus lange vergangenen Zeiten dieses all-time Heroes genährt werden, doch überraschend um einiges übertrifft und sehr gefällt. Auch sonst blitzt er da und dort noch auf, der gute alte Britpop oder Indiepop, wie wir ihn immer geliebt haben und sicher niemals aufhören werden es zu tun. In vielen guten Einzelsongs, die trotzdem nicht für ausreichend Überzeugung sorgen, die Hürde zu überspringen eine ganze Platte davon zu erstehen.

 

Im Gegensatz zu der nicht zu übersehenden, blühenden, wenn auch gerade durch die schlimme Krise arg gebeutelten, österreichischen Alternativ-Szene. Wenn man sich das ausgezeichnete neue Werk vom geliebten Freund, dem Nino aus Wien („Ocker Mond“), mit seinen grenzgenialen Songs aus und über das Leben, das Leiden und das Lieben anhört. Das nur mit Akustikgitarre bewaffnet so reduziert und in einer einzigen Nacht aufgenommene und doch wieder so viel besonderen Zauber versprühende neue Album, aus der scheinbar nie austrocknenden Feder dieses begnadeten Singer Songwriters aus unserer großen und so geliebten Hauptstadt. Ebenso unterhaltsam der leichtfüßig des Weges tänzelnde und so britisch klingende Gitarrenpop der Girlie-Combo My Ugly Clementine („Vitamin C“). Sehr erfrischend. Oder die wunderbare Musik, der von mir sehr geschätzten Catastrophe and Cure mit ihrem bereits drittem Studioalbum „Somewhere down the line“, das wie üblich mit sehr schönen, verträumten Gitarrenmelodien aufwartet. Ich mag diese Band einfach. Und viele mehr, wie die wunderschönen Vorboten zur neuen Pauls Jets Platte, auf die ich mich schon sehr freue und gierig warte, oder die schier unendlichen und permanent neu auftauchenden lustigen Lieder Vodoo Jürgens‘. Immer wieder ein Vergnügen unsere Landsleute zu hören und schön wie sie die Indie Fahnen ganz hoch halten. Respekt! Einmal mehr. Hätten sich auf jeden Fall noch mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit verdient. Und das nicht nur in Corona Zeiten und nur auf FM4.

 

Und genau zu diesem Zeitpunkt hat mich die Rückkehr einer ehemals und nun wieder fixen Größe in unserem Indie-Kosmos erreicht. The Strokes. Und nicht nur erreicht, sondern auch immens begeistert. So wie einst von der ersten Minute an nach der Jahrtausend Wende, mit Entstehen dieser besonderen und außergewöhnlichen Band, die sich eindeutig abgehoben hatte von vielen Mitbewerben, selbst von den Besseren ihrer Sorte. Die fünf-Mann Gruppe, die alles mitgebracht hatte. Cooles, freches Auftreten, großartige Gitarrenriffs im perfekten Zusammenspiel mit den Drums, gleichzeitig viel Energie und Melodie erzeugend und einem charismatischen Frontmann und Sänger. Diese New Yorker Band, die uns schnell überzeugt haben mit ihren rotzfrechen Liedern, rauh und ungeschliffen und doch schon sehr knapp an den perfekten Indie-Pop-Rock-Song heran reichend. Uns damit im Sturm erobert und mitgerissen hatten. Mit ultra coolen, knackigen und eingängigen Songs wie „12:51“, „Last nite“, „Someday“, „Reptilia“, „Soma“, „Take it or leave it“, „Heart in a cage“ „Hard to explain“, „Juicebox“ um nur einige ihrer vielen umwerfenden Songs der ersten grandiosen Alben zu nennen. Allesamt Highlights und Pflichtstücke im back catalogue eines passionierten Indie Liebhabers.

 

Schon über unfaßbare sieben Jahre sind vergangen seit der letzten Produktion “Comedown Machine“. Schon einmal hatten die fünf Amerikaner, die den Vergleich mit jeder britischen Postpunk Band locker aufnehmen konnten, nach den ersten drei formidablen Platten eine fünf-jährige Schaffenspause eingelegt. Nun ist das insgesamt sechste Werk „The New Abnormal“ just und unglücklicherweise in der weltweiten Krise erschienen. Unglücklich vor allem für die Band, die dadurch in ihrer Comeback Promo total eingeschränkt wurden. Wir alten Strokes Freunde können uns aber gerade in Zeiten wie diesen über dieses schöne Ereignis und Hörgenuß sehr freuen. Und wenn man davon ausgeht, dass der Titel schon vor den dramatischen Ereignissen festgestanden ist, so könnte man ihnen eine beklemmende Prophezeiungsgabe attestieren. Wobei der Grundtenor der Lieder, sowohl textlich als auch melodisch alles andere als deprimierend oder verstörend ist. Ganz im Gegenteil. Die Strokes kehren mit viel Esprit, Kreativität und Spielfreude zurück ins Geschäft. Und die Band scheint mit dem Synthesizern ein neues Stil-gebendes Mittel gefunden zu haben, das sie immer wieder zu bewährter Struktur gekonnt einsetzen. Denn insgesamt ist es ein klassisches Strokes Album mit fetzigen, flotten und zwischendurch wieder langsameren, ruhigeren Nummern, die sich abwechseln. Mit nur neun Nummern ist die Tracklist nicht übermäßig großzügig, die Songs dafür ungewöhnlich lange und meist weit über vier Minuten oder gar noch einiges länger. Nur das eher Strokes-untypisch.

 

Die vorab erschienene, die Platte ankündigende Single „At the door“ ist ein gewagtes, aber gelungenes Experiment, dessen Kraft sich erst nach mehrmaligem Hören erschließt. Der lange Zeit monoton hypnotisierende Song mit ausgezeichnetem Gesang, der am ausufernden Ende mit atmosphärischen Klängen und kirchenähnlichen Arien allmählich im Weltall verhallt. Sehr spacig, aber hoher Suchtfaktor. Und mutig dieses ungewöhnliche Lied voraus zu schicken.
Die große Neugier und gespannte Erwartungshaltung aufs neue Werk wird dann mit dem flotten Opener „The Adults Are Talking“ sofort mehr als befriedigt. Man ist sofort drinnen in der Platte und richtig gefesselt von dem betörenden, schnell gezupften Gitarrenstakkato und vereinnahmenden Rhythmus. Eine Supernummer mit viel Spielwitz, wie man im Fußball sagen würde.

 

Auch die Single „Bad Decisions“ ist einer dieser klassischen Songs dieser Band. The Strokes wie sie leiben und leben. Und wie wir sie kennen und lieben. Wild durcheinander stobende Gitarren, die sich dennoch zu einer schönen Melodie ineinander fügen.
Ebenfalls die dritte Auskopplung „Brooklyn Bridge To Chorus“ bohrt sich eindrücklich ihren Weg mit den 80er Synthie Loops, die an Duran Duran, und wie die einst geliebten Legenden dieser speziellen Epoche sonst noch alle hießen, frappant erinnert. Und auch die Verweise darauf nicht von ungefähr kommen. „And all the 80ies bands, oh, where did they go?“, fragen sich Sänger Julian und seine Kollegen, stellvertretend für eine ganze Generation in wehmütiger Melancholie. Zweifelsohne formidable Indie Kracher.

 

Dazwischen hörenswerte mid-tempo Nummern wie „Eternal Summer“ mit dem interessanten Kontrast zwischen der an den Titel angelehnten, entspannten Sommermelodie und engelhaftem Falsett, das auch an The Style Councils kunstvolles „Long Hot Summer“ erinnert, und dem schon beinahe wütenden Refrain mit schriller Gitarre dazu. “…I can’t believe it, life is such a funny journey…“. Genau. Oder die sehnsüchtig, melancholischen „Selfless“ und „Ode To The Mets“, die sehr elegisch starten, aber die traurige Grundstimmung mit Fortdauer doch etwas abzustreifen vermögen. Hörenswerte Stücke, die aber allesamt dann doch etwas zu glatt durchproduziert wirken. Die Strokes sind halt auch schon erwachsen geworden und das hört man ihnen im Vergleich zu früher doch an. Nicht mehr ganz so wild und antreibend, rauh und ungeschliffen, frech aufbegehrend. Demgegenüber stehen neue Qualitäten und Facetten im Songwriting.

 

Ein weiteres Highlight ist noch „Why Are Sundays So Depressing“, das nur im Titel an Morrissey’s legendäres „Everyday Is Like Sunday“ erinnert, sonst eher an jammende Sessions der legendären Libertines oder die frühen Strokes themselves.

 

Unverändert sind die signifikanten Merkmale dieser Band. Zum einen die einfachen, aber punktgenauen und treffsicheren Rock N’Roll drums und noch mehr das so vielseitige und facettenreiche Gitarrenspiel, das sie so besonders macht. Mal wild schrammend, mal jaulend aufheulend, dann wieder einfach jammend oder melodisch verspielt, aber stets berührend. Und dazu natürlich der ultracoole Gesang des charismatischen Julian Casablancas, dessen Stimme von rebellisch aufbegehrend, im Mikro leicht verzerrt, melancholisch wehmütig, verschlafen oder zumindest bewusstseins-getrübt, sehnsüchtig verträumt bis hin zum hohen Falsett sehr viel abdeckt und den Songs noch mehr Energie und Power verleiht. Der auch schon einen Vierer vorne stehen hat, und trotz seines Rockstar Lebens nichts von früher eingebüßt zu haben scheint.

 

Alles in allem ein sehr gutes Album, das viel Freude und Vergnügen bereitet. Die Rückkehr in beinahe alter Stärke und Bestätigung einer ausgezeichneten Band. The Strokes are back und das ist auch gut so. Schön, dass es solche Bands noch immer oder schon wieder gibt, die uns hoffentlich auch noch länger erhalten bleiben. Und uns auf die nächsten Platten nicht mehr so lange warten lassen. Und uns vielleicht auch bald wieder einmal in Wien beehren, wenn der ganze Wahnsinn vorbei ist. Das wäre fein. Denn auch live machen die New Yorker Jungs mächtig was her. Bitte. Bitte.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0