The Smiths is not dead- never!
In den vergangenen Wochen wurden einige, freudig erwartete und interessante Neuerscheinungen auf dem Indie-Album-Markt geworfen. Zum Beispiel die derzeit in England so extrem gehypten Arctic Monkeys, die jedoch meiner Meinung nach die hohe Erwartungshaltung mit dem neuen Stil nicht gerecht werden konnten. Nicht schlecht aber eher unspektakulär, wenn sie ihr bestes Pferd (E-Gitarre) im Stall lassen. Oder das auch nicht mehr ganz an alte Dynamik und Erfolge anschließende, aber sehr gute Album der Manic Street Preachers, auf die einfach Verlass‘ ist. Dann noch die spritzige, flotte, tanzbare und kurzweilige Platte der Vaccines. Doch um einiges besser als jene der Fratellis. Die guten alten, einst so goutierten Snow Patrol, die mich nach ohnehin schon niedrig bis kaum gehegter Hoffnung, leider um keinen Deut eines Besseren belehren konnten. Des weiteren das wiederum sehr feine und atmosphärische siebente Studio Album der verträumten Klangkünstler von Beachhouse...und viele mehr, die meinen Argus Augen entwischt sind oder nicht zu meinen Favoriten zählen und ich somit auch nicht beurteilen kann...
Aber eine Neuerscheinung hat
meine, trotz positiver Ankündigungen im Vorfeld, nicht all zu hohen Erwartungen bei weitem übertroffen. Johnny Marr’s drittes Werk „Call The Comet“.
Ein super gutes Stück Musik inklusive nostalgischer Zeitreise und auch sonst ein Vergnügen zu lauschen. Es ist immer wieder schön in der Früh aufzustehen und sich schon auf die Musik im Auto
auf dem Weg zur Arbeit zu freuen, es kaum zu erwarten einzusteigen und den aktuellen Favoriten aufzudrehen, rauf- und runter zu hören. Immer wieder aufs Neue. Ein untrügerisches Zeichen und
Qualitätsmerkmal.
Marr (mit bürgerlichem Namen eigentlich John Martin Maher) stammt aus der Indie Hochburg der 80er und 90er Jahre Manchester und lernte das Gitarrenspiel bei keinem Geringeren als The Cult-Gitarristen Billy Duffy. Nach ersten zarten Geh- (Band-) Versuchen sollte sich sein Leben 1982 mit einem Schlag ändern, als der schmächtige 18-Jährige mit dem schüchternen, aber sehr exzentrischen jungen Mann namens Steven Patrick Morrissey eine Band gründete. Damals konnten beide auch noch nicht annähernd erahnen, dass sie mit The Smiths bahnbrechende Erfolge feiern, Songs für die Ewigkeit schreiben und mit ihrer Musik Generationen bis heute nachhaltig und dauerhaft begeistern und beeinflussen würden. Die Band aber auch nach fünf kurzen, sehr intensiven und produktiven Jahren im Streit auseinander brechen sollte, der bis heute nicht zu kitten war und sogar des lieben Geldes willen vor Gericht landete.
Nach Zerschlagung einer der einflussreichsten und berühmtesten Indie Bands der englischen Musikgeschichte, prolongierte der talentierte Gitarren- und Songschreiber seine Karriere durch Mitwirken an diversen Projekten. Das reichte vom Mitwirken bei The The („Mind Bomb“), über das Electro-Crossover-Projekt mit New Order Sänger Bernhard Summer namens Electronic, verschiedenen Kollaborationen wie mit den Talking Heads, Pretenders, Kirsty McColl oder Neil Finn, bis hin zum kurzzeitigen Gastspiel bei den jungen, wilden Cribs.
Bis er sich schließlich daran
versuchte auf ganz eigenständigen Solo Pfaden zu wandeln. Die aktuelle Platte „Call The Comet“ ist bereits sein drittes Studio Album und es ist wirklich großartig geworden. Die Nummern
strotzen nur so vor Energie und erinnern immer wieder an gute alte Smiths Songs. Ein wahres Festmahl für die vielen Verehrer dieser so besonderen Band und alle Feierabend-Nostalgiker.
Gesamt zwölf Songs, die fast alle weit über vier Minuten, einige sogar fünf Minuten andauern und dieses Werk umfangreich machen, ohne dass es je langatmig oder langweilig wird. Ganz im
Gegenteil. Marr’s feines und sehr gekonntes Gitarrenspiel und -melodien stehen naturgemäß im Vordergrund. Nicht umsonst wird er immer noch als einer der Besten seiner Zunft bezeichnet. Von
Fachmänner wohlgemerkt. Indie Gitarrenrock vom Feinsten, sortenrein und unverfälscht. Leichtfüßige, melodische Poptunes ergänzen sich mit sehr gelungenem, coolen, teils psychodelischen und
hypnotisierenden Indie Rock N’Roll („Actor Attractor“, „Walk Into The Sea“, „New Dominions“, „My Eternal“). Zwischendurch ist man auch an den alten Gallagher Bruder von Oasis erinnert, mit
dem Marr ohnehin immer wieder gerne abhängt in der gemeinsamen Heimatstadt. Singstimme und Gesang des Saiten-Künstlers sind ungewohnt, aber auch sehr ordentlich und passen durchaus.
Durchgängig gut dieses Werk und kaum Schwachstellen. Super Beat und Sound. Unterhaltsam und berührend. Fabelhaft.
Die Schlussnummer „A Different Gun“ würde auch auf dem grandiosen, legendären Debutalbum der Stone Roses nicht auf- bzw. abfallen. Erinnert ebenso an die alten Charlatans. Ganz klassisch. Überzeugend. Authentisch. Überhaupt sehr schön Retro gerichtet, was in zahlreichen Smiths- Reminiszenzen einige Höhepunkte findet. Sehr spannend (für die vielen ewigen Smiths Fans, wie ich immer wieder herausfinde).
„Day In Day Out“ startet mit einer lupenreinen wunderbar treibenden Gitarrensection, zu der man sofort verlockt ist einen der alten Smiths-Klassiker „Big Mouth Strikes Again“ mitzusingen. Überhaupt einers der absoluten Highlights der Platte, als diese Nummer in der Mitte etwas zur Ruhe kommt, um sich langsam aber bestimmt zu einem unglaublichen Gitarrenriff aufzubauen. Schon lange nicht mehr so etwas Geiles gehört. Wirbelt und schüttelt einen komplett durch, wie ein Zyklon im Indischen Ozean. Unfassbar geil. Alleine schon deswegen lohnt es sich und kann ich nur empfehlen einmal reinzuhören (und wird bei einmal vermutlich nicht bleiben).
Doch es sollte noch besser kommen. Hinter dem banalen Titel „Hi, Hello“ verbirgt sich ein glasklares Remake vom unsterblichen „There Is A Light That Never Goes Out“. Wie aus dem Gesicht geschnitten, als wäre es sein verloren geglaubter Zwilling. Sogar der Synthie Loop ist fast ident, sodass einem unweigerlich die Vorstellung in den Sinn kommt, wie Morrissey himself ob dieses dreisten Plagiats erzürnt sein mag und seine Blitze sendet wie verärgerte Götter vom Olymp. Wahnsinnig schöne Melodie, dass es einem kalt über den Rücken läuft und die süße Melancholie streichelt. Danke, Johnny, für diesen romantisch nostalgischen Ausflug!
Und noch einige weitere süße Smiths Erinnerungen folgen (z.B. das Intro von „Bug“ oder auch das hämmernde „The Tracers“, das „The Queen Is Dead“ auf- und hochleben lässt). Marr meinte unlängst in einem Interview für das englische Q-Magazine auf seine Vergangenheit angesprochen sinngemäß: „Ich bin stolz auf die Smiths. Genug kopieren sie. Warum nicht dazu stehen wer ich bin!“ Wie Recht er damit hat.
Wer auf klassische Indie
Gitarren Musik steht, wird diese Platte sicher mögen.
Und wer auf die Smiths steht, wird dazu auch noch ein paar vergnügt tanzende Schmetterlinge im Bauch haben.
Am 1.Dezember diesen Jahres kommt er erstmals für eine Live-Show ins Wiener Flex. Grund genug diesen Abend freizuhalten und dieser englischen Musik-Ikone und Ausnahme-Talent die Ehre zu erweisen und ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Sogar einige alte Smiths Nummern scheinen sich immer wieder in seine Setlist zu verirren. Auch dieses (schöne) Licht, das niemals erlöscht. Wie aufregend! Fixtermin! Große Vorfreude! Cu there!
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